Rachitis (MBD)
Synonym
Metabolische Knochenerkrankung, Osteomalazie, Renale Osteodystrophie, Knochenerweichung, Sekundärer Hyperparathyreoidismus.
Beschreibung
Verschiedene Faktoren können den Kalziumstoffwechsel stören und so zu einer Mineralisierungsstörung des Skelettsystems führen. Dabei kommt es durch Veränderungen der Knochenzusammensetzung zu einer verminderten Knochendichte.
Wer ist besonders gefährdet, an Rachitis zu erkranken?
- Gefährdet sind vor allem junge und heranwachsende pflanzenfressende
Reptilien: z.B. Griechische Landschildkröte, Breitrandschildkröte, Russische Landschildkröte, Dornschwanzagame und andere pflanzenfressende Arten. - Ebenfalls gefährdet sind omnivore Reptilien wie z.B. Wasserschildkröten oder Bartagamen.
- Weniger häufig tritt Rachitis bei reinen Fleisch- oder Insektenfressern auf (z.B. bei Boa, Python, Chamäleon, Gecko)
- Grundsätzlich gefährdet sind trächtige Weibchen, sowie junge und heranwachsende Reptilien, da sie einen besonders hohen Bedarf an Calcium haben!
Symptome
- Weiche bzw. verformte Knochen
- Skelett- und Panzermissbildungen
- Bei schwerer Verlaufsform: Lethargie, Appetitlosigkeit, Zuckungen, Muskelkrämpfe, Lahmheit der Hinterbeine
Spezifische Symptome
- Echsen: weicher, verdickter oder missgebildeter Unterkiefer, verdickte Oberschenkel, Missbildungen der Wirbelsäule
- Schildkröten: weicher Panzer, Panzerdeformationen (z.B. Höckerbildung, Pyramidenpanzer). Extremitäten und Unterkiefer können weich, verdickt oder verformt sein. Eventuell Hinterhandschwäche
- Schlangen: Missbildung der Wirbelsäule
Begleit- und Folgekrankheiten
- Tiere mit fortgeschrittenem Krankheitsbild können an zahlreichen Folgeschäden leiden, z.B. Störung der Nahrungsaufnahme durch verformte Kiefer, Bewegungseinschränkung durch deformierte Extremitäten oder Wirbelsäulendegeneration, Brüche durch Entmineralisierung der Knochen.
- Sekundärer Hyperparathyreoidismus: Abbau von Knochensubstanz, Harnsteine, Verkalkung der Blutgefäße, Nierenschäden, Herzerkrankungen usw.
- Legenot
- Darmerkrankungen
Ursachen
- Mangel an Vitamin-D3 bzw. UVB-Strahlung
- Kalzium-Unterversorgung
- Pflanzenfresser: Ungünstiges Kalzium-Phosphor-Verhältnis der Nahrung
- Nierenerkrankungen (sekundärer Hyperparathyreoidismus)
- Medikamentös bedingt, z.B. durch bestimmte Antibiotika
Verschiedene Faktoren begünstigen die Erkrankung
- Erhöhter Bedarf durch physische und psychische Belastungen, z.B. Wachstum, Gravidität, Darmerkrankung, Parasiten, Nahrungsverweigerung
- Zu hohe Haltungstemperaturen, dadurch zu schneller Metabolismus
- Zu niedrige Haltungstemperaturen, dadurch mangelhafter Metabolismus
- Fehlende Winter- bzw. Sommerruhezeiten
- Zu trockene Haltungsbedingungen
Therapie
- Montage einer UV-Leuchte mit ausreichendem UVB-Anteil oder regelmäßige Verabreichung von Vitamin-D3 in Form eines geeigneten Mineralstoffpräparates (z.B. Korvimin)
- Optimierung der Kalzium-Versorgung durch regelmäßige Bereitstellung von zerkleinertem Sepiaschulp in einem separaten Schälchen. Alternativ bietet der Zoohandel verschiedene Produkte zur Kalziumversorgung an.
- Bestehende Knochen- und Panzerveränderungen lassen sich leider nicht mehr rückgängig machen. Die hier beschriebenen Maßnahmen können aber eine Verschlimmerung der Symptomatik zuverlässig verhindern.
Begleitende Maßnahmen
- Bei Pflanzenfressern ist auf ein geeignetes Kalzium-Phosphor-Verhältnis der Nahrung zu achten. Nahezu alle Obst- und zahlreiche Gemüsesorten haben eine ungünstiges Verhältnis und sind deshalb nur sehr bedingt geeignet. Einseitige Fütterung mit diesen Pflanzen sollte vermieden werden. Wenig geeignet sind z.B. Tomate, Banane, Melone, Paprika, Kopf- oder Eisbergsalat, Erbsen und Soja. Ein sehr gutes Kalzium-Phosphorverhältnis haben die meisten Kräuter, darunter Löwenzahn, Petersilie, Brunnenkresse, Wegerich-Arten, oder auch Römersalat, Rucola, Weißkohl, Wirsing, Endiviensalat und Feigenkaktus. Tierische Nahrungsmittel und Milchprodukte sollten grundsätzlich nicht an Pflanzenfresser verfüttert werden.
- Energiereiche Nahrung, häufige, reichhaltige Fütterungen, hohe Grundwärme und fehlende Überwinterung kurbeln das Wachstum an und begünstigen einen Vitamin-D3-Mangel. Füttere lieber artgerecht, schaffe im Terrarium ein Wärmegefälle und ermögliche artgerechte Winter- oder Sommerruhezeiten.
- Optimiere die Flüssigkeitsversorgung
- Metabolische Knochenerkrankungen werden häufig durch unerkannte Nierenerkrankungen verursacht. Eine Untersuchung durch den Tierarzt schafft Klarheit.
Vorsorge
- Ungefiltertes Sonnenlicht, Freiland- oder Gewächshaushaltung
- Bei Zimmerhaltung: Verwendung geeigneter UVB-Lampen
- Regelmäßiger und maßvoller Einsatz von Vitamin- und Mineralstoffpräparaten
- Pflanzenfresser: artgerechte Ernährung mit geeignetem Kalzium-Phosphor-Verhältnis
- Ausreichende Flüssigkeitsversorgung
Kommentar
Metabolische Stoffwechselstörungen entstehen vor allem durch Vitamin D3-Mangel, Kalzium-Unterversorgung und Nahrung mit ungünstigem Kalzium-Phosphor-Verhältnis. Aufgrund eines hohen Vitamin- und Mineralstoffbedarfs sind Jungtiere und Tiere im Wachstum besonders gefährdet. Hier spricht man von Rachitis. Erkranken adulte Tiere, spricht man von Osteomalazie. Als sekundärer Hyperparathyreoidismus wird eine durch Fehlernährung oder Nierenerkrankung hervorgerufene reaktive Überfunktion der Nebenschilddrüse bezeichnet, die eine Entmineralisierung der Knochen und erhöhte Freisetzung von Kalzium nach sich zieht.
Vitamin D3-Mangel
Vitamin D3 erfüllt eine wichtige Funktion beim Einbau von Kalzium in den Knochen. Der Organismus kann es selbst bilden, benötigt dazu jedoch UVB-Strahlung, die von natürlichem Sonnenlicht oder geeigneten UV-Lampen emittiert wird. Bei ungenügender UVB-Bestrahlung entsteht ein Vitamin D3-Mangel. Dieser hat zur Folge, dass dem Skelettsystem zu wenig Kalzium zugeführt wird. Dadurch verlieren die Knochen an Stabilität, werden weich und biegsam. So entstehen an besonders beanspruchten Stellen wie Unterkiefer, Oberschenkel, Rückgrat oder Panzer rachitische Verformungen und Missbildungen.
Kalzium-Unterversorgung
Zu ähnlichen Symptomen führt auch eine mangelnde Kalzium-Versorgung. Hier fehlt es am Kalzium selbst. Mangelzustände können auftreten, wenn regelmäßig kalziumarmes Futter verabreicht wird, z.B. Fisch- oder Fleischfilet, und gleichzeitig keine adäquate Kalziumsubstitution erfolgt.
Ungünstiges Kalzium-Phosphor-Verhältnis der Nahrung.
Im Blut herrscht ein konstantes Verhältnis von Kalzium und Phosphor. Enthält die zugeführte Nahrung einen Überschuss an Phosphor, muss der Körper Kalzium mobilisieren, um das Normverhältnis wiederherzustellen. Dazu schüttet er verstärkt Parathormon aus der Nebenschilddüse aus. Dieses bewirkt, dass dem Blut vermehrt Kalzium zugeführt wird. Als Kalziumquelle wird vor allem das Knochengerüst genutzt, bei Schildkröten auch die knöchernen Anteile des Panzers. In der Folge kommt es zu einer allmählichen Entmineralisierung von Knochen bzw. Panzer. Diese verlieren ihre Stabilität, werden weich und biegsam. Der Organismus versucht, die Stabilitätsverluste auszugleichen, indem er mechanisch stark belastete Bereiche wie Unterkiefer oder Oberschenkel mit Bindegewebe anreichert. Dies führt zu sichtbarer Umfangsvermehrung der betroffenen Knochen. Weniger belastete Teile fühlen sich hingegen weich und verformbar an. Betroffen sind hauptsächlich Pflanzenfresser.
Zu hohe Haltungstemperaturen / Fehlende Ruhezeiten
Hohe Haltungstemperaturen kurbeln den Stoffwechsel an. Die Tiere fressen übermäßig viel, wachsen schnell und entwickeln einen dementsprechend hohen Vitamin- und Mineralstoffbedarf. Ist die Nahrungszusammensetzung nicht optimal (z.B. schlechtes Kalzium-Phosphorverhältnis, fehlende Kalzium-Zusatzversorgung) entsteht ein Kalziumdefizit. Eine ähnliche Situation entsteht, wenn keine Winter- bzw. Sommerruhezeiten durchgeführt werden. Die Tiere bekommen dann rund um das Jahr viel Nahrung, und wachsen übermäßig schnell.
Zu niedrige Haltungstemperaturen
Ein gesunder Stoffwechsel ist von artgerechten Temperaturen abhängig. Zu niedrige Temperaturen behindern die Nährstoffassimilation und können so rachitische Krankheiten fördern.
Zu trockene Haltungsbedingungen
Wassermangel begünstigt Kalzium-Stoffwechselstörungen, weil die Ausscheidungs- und Regulationsfähigkeit der Niere herabgesetzt wird. Man vermutet, dass die bei juvenilen Landschildkröten sehr häufig auftretenden Höckerbildungen durch trockene Haltungsbedingungen maßgeblich mitverursacht werden.
Nierenerkrankungen
Auch Nierenerkrankungen kommen als Ursache in Frage, wenn aufgrund pathologischer Veränderungen entweder zu wenig Phosphat oder zu viel Kalzium ausgeschieden wird. Es kommt dann zu einen sekundären Hyperparathyreoidismus mit Symptomen wie: Osteoporose, Harnsteine, Verkalkung der Blutgefäße, Nierenschäden, Herz-Erkrankungen.
Welche Anforderung muss eine UV-Leuchte erfüllen?
Die Leuchte muss in jedem Fall über ausreichende UVA- oder UVB-Spektralanteile verfügen. Sonnenhungrige Arten benötigen einen relativ hohen UVB-Anteil, Tiere aus schattigen Habitaten einen geringeren UVB-Anteil. Halogenstrahler oder Basking-Spots sind für die UV-Versorgung nicht geeignet, auch wenn die Werbung dies manchmal suggeriert. Die Brenndauer der UV-Lampe sollte der Sonnenscheindauer im Habitat entsprechen. Schattige Ausweichmöglichkeiten müssen unbedingt vorhanden sein, um Verbrennungen (Sonnenbrand) zu vermeiden. Alle UV-Lampen sollten je nach Brenndauer spätestens nach 6–12 Monaten ausgetauscht werden, weil dann ihre UVB-Abstrahlung stark nachlässt und eine ausreichende Versorgung nicht mehr gewährleistet ist. Normales Fenster- oder Terrarienglas ist für UVB-Strahlung undurchlässig. Deshalb sollte der Strahler direkt im Terrarium hängen, oder, wenn dies nicht möglich ist, außerhalb des Terrariums über der Lüftungsgaze montiert werden. (Metallgaze schwächt UV-Strahlung allerdings um etwa 30-35% ab). Die Entfernung der Leuchte hat erheblichen Einfluss auf die Intensität der UV-Strahlung. Bereits einige Zentimeter mehr oder weniger führen zu enormen Veränderungen.