Chronische Stressbelastung
Symptome
- Lethargie: Das Tier zieht sich zurück, sondert sich ab, bleibt oft tagelang im Versteck. Es schläft viel, auch tagsüber, mitunter außerhalb des Verstecks. Oder es liegt häufig und lange unter der Wärmelampe. Bewegungsunlust, reduziertes Abwehr- und Fluchtverhalten.
- Die Augen wirken eingefallen, liegen tief in den Höhlen.
- Appetitlosigkeit oder Nahrungsverweigerung
- Chamäleons: eingefallene Augen, auffallend helle, gelblich-gräuliche Färbung.
- In der Regel ist der Krankheitsverlauf chronisch fortschreitend.
Mögliche Begleitsymptome
- Erhöhte Infektanfälligkeit, insbesondere für Schnupfen, Atemwegserkrankungen, Ohrabszess, Konjunktivitis. Die Infektionen heilen nur langsam, es kommt häufig zu Rückfällen.
- Erhöhte Neigung zu starkem Parasitenbefall
- Verzögerte Wundheilung, chronische Vereiterungen, Abszesse der Haut
Wann?
- Nach starker und/oder anhaltender Stressbelastungen. Je nach Art und Intensität der Stressbelastung können Tage, Wochen oder Monate vergehen, bis erkennbare Symptome entstehen.
- Nach Vergesellschaftung mit fremden Artgenossen
- Während oder nach einer Erkrankung
Ursachen
- Länger anhaltende Belastungen, insbesondere Transport oder Revierwechsel
- Soziale Konflikte: chronische Unterdrückung durch dominante Artgenossen, Paar- oder Gruppenhaltung von Einzelgängern, Revierkonflikte durch überbesetzte Gehege. Ungeeignetes Geschlechterverhältnis, z.B. mehr Männchen als Weibchen, mehrere rivalisierende Männchen oder Weibchen auf engem Raum
- Fehlende Rückzugsmöglichkeiten und blicksichere Verstecke
- Lichtmangel, Wärmemangel, UVB-Mangel
- Vitamin-B-Mangel, VitaminC-Mangel, VitaminD-Mangel.
- Unterversorgung mit Magnesium, Omega-3-Fettsäuren und L-Tryptopan
- Schwächung durch akute oder chronische Erkrankungen
Therapie
Achtung!
Die nachfolgenden Informationen können und sollen nicht den Gang zum Tierarzt ersetzen.
- Vor Beginn einer Behandlung sollten andere Ursachen differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Eine vergleichbare Symptomatik zeigen verschiedene chronische Krankheiten, posthibernale Anorexie und eine bevorstehende Winter- bzw. Sommerruhezeit.
- Die wirksamste und natürlichste Therapie ist eine intensive Bestrahlung mit natürlichem Sonnenlicht, was allerdings in der Regel nur bei Freigehege- oder Gewächshaushaltung möglich ist. Natürliche Sonnenstrahlung beeinflusst genau jene Botenstoffe, die bei chronischer Stressbelastung pathologisch verändert sind: Serotonin, Noradrenalin und Melatonin. Hierbei sind alle Spektralanteile des Sonnenlichts wirksam. Wärmestrahlung und Licht fördern vor allem die Serotoninausschüttung, während UV-Licht Noradrenalin stimuliert. Im Terrarium kannst du als Ersatz für die Sonnenstrahlung eine HQI-Lampe verwenden.
- Erhöhe die bisherige Temperatur am Aufwärmplatz um 3–5 °C. durch Verwendung einer zusätzlichen HQI-Lampe (z.B. Lucky Reptile Bright-Sun UV). Die Bestrahlungsdauer sollte der Sonnenscheindauer im Habitat während der Hauptaktivitätsmonate entsprechen. Bei einigen nachtaktiven Arten kann diese Art der Bestrahlung zu intensiv sein, denn HQI-Lampen sind sehr hell. In diesem Fall kannst du stattdessen eine Halogenlampe verwenden. Detaillierte Infos zu den Klimaansprüchen der jeweiligen Art findest du unter: Haltungsempfehlungen.
- Unterstütze die körpereigene Serotonin-Produktion durch ausreichende Versorgung mit B-Vitaminen (insbesondere B1, B6, B12, Biotin, Folsäure), Vitamin C, Vitamin D und Magnesium, eventuell auch Omega 3 und L-Tryptopan über geeignete Nahrungsmittel und Vitaminpräparate (z.B. Kormivin). Der Vitamin-B-Bedarf kann z.B. durch Zufütterung von Bierhefe gedeckt werden.
Begleitende Maßnahmen
- Sorge vor allem für artgerechte Haltungsbedingungen. Detaillierte Infos findest du unter: Das artgerechte Terrarium
Vorsorge
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Artgerechte Haltungsbedingungen sind der beste Schutz gegen chronische Stressbelastungen.
Es ist außerordentlich wichtig, sich vor dem Kauf genau über die Ansprüche der gehaltenen Art zu informieren und den Empfehlungen zu folgen. -
Die meisten Reptilien – auch Schildkröten – sind Einzelgänger und fühlen sich in Einzelhaltung wohler. Manche Arten können als Gruppe gehalten werden, allerdings nur unter genauer Berücksichtigung der Gruppenzusammensetzung.
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Eine häufige Stressursache sind Konflikte mit Artgenossen. Vor allem territoriale Arten solltest du nur in ausreichend großen Gehegen und unter genauer Beachtung der Gruppenkonstellation halten. Die Rangordnung der Tiere muss aufmerksam beobachtet werden. Für unterdrückte Tiere ist Einzelhaltung dringend anzuraten.
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Achte auf ein angemessenes Geschlechterverhältnis. In der Regel ist ein deutlicher Überhang an Weibchen sinnvoll. Insbesondere die Vergesellschaftung mehrerer Männchen ist häufig problematisch. Dies führt zu ständigen Rangeleien, Belästigung der Weibchen und Unterdrückung schwächerer Artgenossen.
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Je größer und besser strukturiert ein Gehege ist, desto geringer ist auch die Stressbelastung. Einen Überbesatz mit Tieren sollte man unbedingt vermeiden. Für einzeln lebende Arten stellt die Gruppenhaltung im Terrarium eine erhebliche Belastung dar.
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Selbst starker Stress wird relativ gut vertragen, wenn die Möglichkeit zu adäquater Erholung besteht. Orte der Regeneration sind in erster Linie Versteck und Sonnenplatz. Jedem Tier sollten also ein blicksicheres Versteck und ein von Konkurrenten nicht gefährdeter Sonnenplatz zur Verfügung stehen. Sammelunterkünfte und umkämpfte Sonnenplätze erschweren die Regeneration erheblich.
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Artgerechte Licht- und Wärmezufuhr sind für die Regeneration von elementarer Bedeutung. Auch solltest du auf ausreichend bemessene Beleuchtungszeiten achten. Selbst die beste Lampe ist relativ nutzlos, wenn sie zu kurz brennt.
Die Phasen einer Stresserkrankung bei Reptilien
Das neuroendokrine Stresssystem ist, wie die meisten körperlichen Systeme, Teil eines homöostatischen Regelkreises: Überschreitet ein Impuls einen bestimmten Schwellenwert, so löst er selbst eine gegenläufige Reaktionen aus. Der starken Mobilisierung folgt also eine entsprechende Erholungsphase, damit der Organismus regenerieren kann. Wäre dem nicht so, würde er binnen kürzester Zeit an Erschöpfung zugrunde gehen.
Was aber geschieht, wenn dieser Regelkreis dauerhaft gestört wird, wenn also auf die Mobilisierung keine ausreichende Erholungsphase folgen kann, wenn der Organismus häufiger stimuliert wird, als er regenerieren kann? Diese Frage ist nicht schwer zu beantworten: Dann entstehen stressbedingte Krankheiten.
Heute wissen wir, dass nicht nur psychische, sondern auch zahlreiche körperliche Erkrankungen direkt oder indirekt durch Störungen dieses Regelkreises verursacht werden. Kortisol spielt hierbei fast immer eine zentrale Rolle. Viele Stress-Symptome sind unmittelbar auf dessen Wirkungen zurückzuführen, z.B. Nervosität, Anspannung, hoher Blutdruck, erhöhte Infektanfälligkeit und Ess-Störungen. Dauerhaft hohe Kortisol-Spiegel fördern u.a. Diabetes, Reizdarmsyndrom und Herz- Kreislauferkrankungen.
Kortisol hält den Körper in einem dauerhaften Alarmzustand und unterdrückt gleichzeitig beruhigende Botenstoffe wie Serotonin und Melatonin. Hält der Alarmzustand übermäßig lange an, beginnt der Hirnstoffwechsel allmählich zu entgleisen. Vermutlich durch Serotoninmangel ausgelöst, entstehen zunächst Verhaltensauffälligkeiten wie z.B. Angst- oder Panikstörungen. Wenn nach langer Überstimulierung schließlich die aktivierenden Botenstoffe in einen Erschöpfungszustand geraten, entwickeln sich Krankheitsbilder wie Depression oder Burn-out.
Unter natürlichen Bedingungen reagieren Reptilien auf akute Bedrohung mit körperlichen Reaktionen wie muskulärer Anspannung, Drohgebärden, Beißattacken oder Flucht. Kann keine adäquate körperliche Reaktion stattfinden, so versuchen sie instinktiv, die überschüssige neuromuskuläre Energie durch körperliche Aktivität abzubauen.
Körpersprache und Aktivität gesunder Reptilien sind normalerweise variabel und der jeweiligen Situation angemessen. Die Bewegungen wirken insgesamt ruhig, koordiniert und zielgerichtet, der Körper zeigt Spannkraft, der Kopf wird aufrecht gehalten. Unter Stress zeigen sie jedoch eine Reihe charakteristische Abweichungen vom normalen Verhalten. Lange bevor körperliche Erkrankungen auftreten, geben diese einen ersten Hinweis auf das Vorliegen einer Stresserkrankung. Dabei werden typischerweise drei Krankheitsstadien durchlaufen: die akute Phase, die chronische Phase und die Erschöpfungsphase. Diese gehen normalerweise fließend in einander über. Wie schnell sie durchlaufen werden, ob in Tagen, Monaten oder Jahren, hängt von der Belastungsintensität und der individuellen Konstitution ab.
Akute Phase
Diese Phase ist gekennzeichnet durch hyperaktives Verhalten. Es ist der Versuch, Stress durch verstärkte Aktivität zu bewältigen. Die Körpersprache zeigt eine ausgeprägte Erregungshaltung mit unruhigen, rastlosen und beschleunigten Bewegungen. Situativ bedingt kommt es zu Panikreaktionen und übertriebenen Fluchtreaktionen, die unter beengten Bedingungen leicht zu Verletzungen führen können. Die Sinne sind nervös-angespannt, hellwach und fokussiert. Der Appetit ist reduziert. Oft zeigt sich eine selektive Nahrungsaufnahme: Pflanzenfresser bevorzugen glukosereiches Futter, Fleischfresser reduzieren ihr Jagdverhalten und konzentrieren sich auf besonders schmackhafte Beutetiere. Häufig treten Verdauungsstörungen auf, z.B. sporadische Durchfälle oder Kot mit unverdauten Nahrungsbestandteilen. Vorhandene Darmparasiten können sich in dieser Phase stark vermehren.
Die beschriebenen Symptome werden in erster Linie durch erhöhte Ausschüttungen des Stresshormons Kortisol verursacht. Die aktivierenden Botenstoffe Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin sind häufig ebenfalls erhöht, die Produktion des beruhigenden Serotonins wird hingegen unterdrückt. Die hyperaktive Phase hält in der Regel nur einige Tage bis maximal einige Wochen an.
Chronische Phase
Bleiben die Stressursachen längere Zeit bestehen und können aus eigener Kraft nicht bewältigt werden, geht die anfängliche Hyperaktivität in eine Phase scheinbarer Beruhigung über. Das Tier wirkt jetzt erschöpft, bei gleichzeitiger nervöser Übererregbarkeit. Die Körpersprache zeigt eine typische Angsthaltung. Das Tier macht sich „optisch klein“ durch eine geduckte Haltung, bei der Kopf und Körper niedrig gehalten und die Extremitäten stärker zum Körper hingezogen werden. Die Bewegungen sind vorsichtig, zögerlich, defensiv, bei Gefahr überhastet und bisweilen unkoordiniert. Flucht- und Panikreaktionen bleiben bestehen, nehmen aber allmählich an Intensität ab. Alternativ oder begleitend kann es zu impulsiver Reizbarkeit mit spontanen Aggressionsschüben kommen. Häufig sind Nahrungsaufnahme und Ausscheidungsfunktion gestört. Manche Tiere verweigern zeitweise die Nahrung. Andere tendieren zu selektiver oder maßloser Nahrungsaufnahme. Bei Bewegungsmangel kommt es hier schnell zu Gewichtszunahme und Adipositas.
Weiterhin treten unspezifische Darmerkrankungen auf, mit Durchfällen oder unverdauten Nahrungsbestandteilen im Kot. Übergewichtige Tiere entwickeln häufig eine hartnäckige Obstipation. Die Infektionsanfälligkeit ist deutlich erhöht. Insbesondere Erkältungskrankheiten wie Rhinitis, Pharyngitis, Konjunktivitis, Otitis und Pneumonien sind diagnostizierbar. Außerdem ist die Wundheilung herabgesetzt, so dass Wundinfektionen, Vereiterungen und Abszesse gehäuft auftreten. Auch ein bereits bestehender Parasitenbefall kann sich nun erheblich verschlimmern. Es fällt auf, dass viele Erkrankungen subakut verlaufen, sehr langsam ausheilen und insgesamt eine Neigung zur Chronifizierung besteht. Auf hormoneller Ebene ist der Serumspiegel von Kortisol erhöht, Serotonin häufig deutlich reduziert, der Melatonin-Zyklus und Noradrenalin geringfügig verändert. Diese Phase kann bei starkem Stress Tage bis Wochen, bei chronischem Stress Monate bis Jahre andauern.
Erschöpfungsphase
Bleiben die Stressauslöser dauerhaft bestehen und ist das Tier nicht in der Lage, sie zu bewältigen, erfolgt der Übergang in die Erschöpfungsphase. Beim Menschen spräche man nun von einer Depression bzw. Burn-out. Häufig zeigen die Serumwerte jetzt niedrige Kortisol-, Serotonin-, Noradrenalin- und gestörte Melatonin-Spiegel.
Im depressiven Stadium entwickeln Reptilien ganz ähnliche Symptome wie Säugetiere. Dabei zeigen sie jedoch ein charakteristisches und bei Terrarianern bestens bekanntes Reaktionsmuster: Sie verhalten sich so, als stünde eine Sommer- bzw. Winterruhe bevor.In der Regel ist der Schlafrhythmus stark beeinträchtigt. Das Tier zieht sich zurück, sondert sich ab, bleibt oft tagelang im Versteck. Es schläft viel, auch tagsüber, mitunter außerhalb des Verstecks oder liegt häufig und lange unter der Wärmelampe. Ein Grund hierfür ist vermutlich der gestörte Melatonin-Zyklus. Körpersprachlich zeigt sich eine Erschöpfungshaltung: das Tier bewegt sich lethargisch, schlaff und kraftlos. Bewegungen sind verlangsamt und wenig differenziert. Es zeigt reduziertes Fluchtverhalten und geschwächte Abwehrbewegungen. Die Augen wirken eingefallen und liegen tief in den Höhlen.
Es besteht eine mehr oder minder ausgeprägte Anorexie, die mit allmählich zunehmender Abmagerung und Exsikkose einhergeht. Aufgrund reduzierter Flüssigkeitszufuhr drohen spontane, „unerwartete“ Todesfälle, z.B. durch Nierenversagen oder Darmverschluss. In diesem Stadium nehmen auch chronische Infektionskrankheiten häufig einen letalen Verlauf.
Ursachen und Auslöser
Im Wesentlichen werden vier auslösende Faktoren unterschieden:
- Stressanfälligkeit
- Akute Traumatisierung
- Chronische Belastungen
- Lang anhaltender Reizentzug
Stressanfälligkeit
Die Stressanfälligkeit ist innerhalb der jeweiligen Familien bzw. Gattungen teilweise recht unterschiedlich ausgeprägt und hängt von mehreren Faktoren ab. Generell kann man jedoch bei Geckos, Eidechsen, Anolis und insbesondere bei Chamäleons eine hohe Anfälligkeit voraussetzen, während die meisten Schildkrötenarten, vor allem Landschildkröten, recht robust veranlagt sind. Warane reagieren bei Haltungsfehlern signifikant häufig mit depressiven Störungen. Der Natur entnommene Tiere zeigen in der Regel stark ausgeprägte Stressreaktionen, die im natürlichen Habitat vorteilhaft sind, nicht aber in den beengten Verhältnissen eines Terrariums. Nachzuchten neigen dagegen eher zu geringer Stresstoleranz im Sinne einer Neurasthenie. In der Rangordnung nehmen solche Tiere meistens untergeordnete Stellungen ein.
Akute Traumatisierung
Bei akuten Traumatisierungen ist die Stressbelastung von kurzer Dauer, aber von hoher Intensität. Bei empfindlichen Arten kann das Stress-System bereits schnelle Bewegungen, stärkere Erschütterungen oder visuelle Fixierung als Zeichen eines bevorstehenden Angriffs werten und entsprechende Angstreaktionen auslösen. Als starke Bedrohung wird die Berührung durch einen potentiellen Fressfeind empfunden. Der Versuch, das Tier festzuhalten, hochzuheben oder umzudrehen, steigert die Angst beträchtlich, da auch Fressfeinde diese Strategie anwenden, um ihr Opfer zu überwältigen. Veterinärmedizinische Maßnahmen, insbesondere invasive Eingriffe mit Kathetern und Sonden oder Maßnahmen zur Zwangsernährung können deshalb als starke Belastung erlebt werden.
Auch die Eingewöhnung in eine neue Umgebung – also ein Revierwechsel – ist für Reptilien mit erheblichem Stress verbunden. Bereits der Revierverlust löst starke Ängste aus, es folgen die Strapazen des Transportes und die Eingliederung in ein völlig unbekanntes Revier. Im Falle einer Gruppenhaltung muss sich der Neuankömmling außerdem gegen die ansässigen Konkurrenten behaupten und einen Rang in der Gruppenhierarchie erkämpfen. Revierkonflikte können mitunter schon nach wenigen Tagen zum Tod des unterlegenen Tieres führen. Werden zwei Männchen einer territorialen Art auf engem Raum zusammengehalten, so wird das schwächere Männchen mit Fluchtverhalten reagieren. Da es das Territorium des dominanten Männchens nicht verlassen kann, bleibt ihm keine Möglichkeit der Stressbewältigung.
Ein häufig unterschätzter Stressfaktor ist die Bedrohung des Verstecks. Ein sicherer Zufluchtsort ist zum Überleben im Habitat unverzichtbar. Wird das Versteck von Fressfeinden entdeckt, so besteht eine potentiell lebensgefährdende Situation – einmal enttarnt, wird es oft auch in Zukunft als „nicht mehr sicher“ bewertet. Der Halter sollte das Versteck deshalb grundsätzlich als Tabuzone betrachten, dort nach Möglichkeit keine Umbauten vornehmen und keine Sichtkontrollen durchführen.
Chronische Stressbelastung
Häufigste Ursache chronischer Stressbelastungen ist die Haltung mehrerer Tiere in engen Gehegen. Wie zahlreiche Studien zeigen konnten, steigt Stress mit zunehmender Besatzdichte kontinuierlich an. Ist ein Gehege groß genug, sind manche Arten untereinander recht gut verträglich. In kleinen Gehegen hingegen kommt es fast immer zu Problemen – selbst bei Geschlechtertrennung. Revierverhalten und Rangordnung führen dann zu ständigen Konfliktsituationen. Die höchste Stress-belastung haben dabei immer die rangniedrigen Tiere. Aber auch dominante Tiere leiden unter der permanenten Nähe ihrer Artgenossen, die zwangsläufig zu einem Anstieg der Aggressivität führt. In gemischtgeschlechtlichen Gruppen führt ein ungünstiges Geschlechterverhältnis außerdem dazu, dass paarungswillige Männchen zur ständigen Stressbelastung für Weibchen werden. Kleine Gehege sind auch deshalb problematisch, weil sie den Bewegungsspielraum des Einzelnen beträchtlich einengen. Bewegung aber ist, wie bereits erwähnt, einer der elementaren Faktoren zum Abbau von Stress. Auch ein chronischer Mangel an Licht-, Wärme- oder UV-Strahlung kann das hormonelle Gleichgewicht so stark durcheinanderbringen, das schwere Depressionssymptome entstehen. Vor allem die wichtigen Neurotransmitter Noradrenalin, Serotonin und Melatonin sind von einer ausreichenden Zufuhr aller Spektralanteile des Sonnenlichtes abhängig. Bereits die starke Unterversorgung nur eines Spektralanteiles kann zu einer Entgleisung des hormonellen Gleichgewichts führen und eine pathologische Dysregulation des Gehirnstoffwechsels zur Folge haben.