Wärmetherapie
Wärme und Fieber zur Bekämpfung von Krankheitserregern
Die Fieberreaktion ist ein uralter körpereigener Abwehrmechanismus gegen krankmachende Mikroorganismen.
Überschreitet deren Zahl oder Virulenz einen bestimmten Schwellenwert, erhöht das Gehirn den Wärmesollwert. Bei Säugetieren steigt nun automatisch die Körpertemperatur – sie bekommen Fieber.
Reptilien sind als wechselwarme Tiere dazu nicht in der Lage. Doch auch sie zeigen eine Fieberreaktion, denn der erhöhte Wärmesollwert führt bei ihnen zu einem erhöhten Wärmebedürfnis. Die Folge: Sie suchen besonders warme Bereiche auf.
Krankheitserreger sind an bestimmte Temperaturen angepasst: Viele Reptilien-pathogene Viren vermehren sich z.B. optimal bei Temperaturen zwischen 27 °C und 30°C., stellen aber ab 37 °C die Vermehrung ein und zerfallen bei noch höheren Temperaturen. Viele Bakterien werden ab 38 °C gering, ab 40° massiv gehemmt.
Der Organismus nutzt diesen Schwachpunkt, indem er seine Temperatur entsprechend anhebt. Dies bewirkt gleichzeitig, dass wichtige körpereigene Abwehrprozesse schneller ablaufen können und körpereigene Abwehrzellen, wie z.B. Makrophagen, Lymphozyten und neutrophile Granulozyten maximal mobilisiert werden.
Studien und Untersuchungen
Experimentell konnte gezeigt werden, dass z.B. Rana esculenta (Europäischer Teichfrosch) mit Hilfe von Sonnenstrahlung seine Körpertemperatur von 26 °C auf 31 °C erhöhte, nachdem ihm Mykobakterien injiziert wurden.
Auch Reptilien, wie Terrapene carolina (Dosenschildkröte) und Chrysemys picta (Zierschildkröte) erhöhen bei bakterieller Infektion auf diese Weise ihre Körpertemperatur um mehrere Grad.
Je stärker die Körpertemperatur erhöht wird, desto effektiver funktioniert die Infektabwehr. Dies zeigt folgendes Experiment:
Wüstenleguane (Diposaurus dorsalis) infizierte man mit Aeromonas-Bakterien. Dann wurden die Tiere in unterschiedlich temperierte Terrarien gesetzt – im kühlsten lag die Temperatur bei 34°C., im wärmsten bei 42 °C
Bei normaler Köpertemperatur (38°C.) überlebten 25% aller erkrankten Tiere, bei 40 °C bereits 67% und bei Terrarien mit 42 °C sogar 100%. Weitere Versuche zeigten, dass eine Nachtabsenkung auf 12 °C keinen Einfluss auf die Überlebensquote der Leguane hatte.
Es genügt also offenbar, die Temperaturen nur tagsüber zu erhöhen. Ferner zeigte sich, dass durch Verabreichung fiebersenkender Mittel (Azetylsalizylsäure) die Todesrate sprunghaft anstieg.
Die Fieberreaktion bei Reptilien
Um Fiebertemperaturen zu erzeugen, suchen Reptilien im natürlichen Lebensraum wärmere Bereiche als gewöhnlich auf.
Dies ist im Terrarium normalerweise nicht möglich. Stattdessen versuchen erkrankte Tiere, so lange wie möglich in Nähe der Wärmequelle zu bleiben, um auf diese Weise Fiebertemperatur zu erzeugen – oft jedoch ohne Erfolg.
Hier sollte der Halter unterstützend eingreifen und die Temperatur am Sonnen- bzw. Aufwärmplatz um mehrere Grad anheben.
Eine Temperaturerhöhung erreicht man entweder durch Verwendung einer zusätzlichen Heizquelle oder durch Anschaffung einer leistungsfähigeren Heizquelle.
In der Regel genügt es nicht, den vorhandenen Wärmestrahler lediglich tiefer zu hängen, weil dadurch auch der effektive Wärmeradius kleiner wird und außerdem schädliche Temperaturspitzen entstehen können.
Fiebertemperaturen
Der Temperaturanstieg variiert je nach Art und Intensität der Infektion gewöhnlich zwischen 1 °C und 5 °C.
Bei harmlosen Infekten genügt bereits ein geringer Temperaturanstieg, um die Erreger in Schach zu halten.
Bei schweren Infekten muss der Organismus jedoch manchmal bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit gehen. Eine Körpertemperatur über 40 °C ist zwar äußerst wirksam gegen Erreger, stellt auf Dauer aber eine starke Belastung für den Körper dar.
Aus diesem Grund schwankt bei Säugetieren der Fieberverlauf. So kann sich der Organismus zwischen den Fieberphasen erholen.
Reptilien haben es einfacher: Sie suchen bei Bedarf kühlere Bereiche auf.
Die Fieberreaktion verkürzt nicht nur die Krankheitsdauer, sondern senkt auch die Mortalitätsrate signifikant. Die zur Infekt-Bekämpfung nötige Körpertemperatur liegt bei den meisten Reptilien zwischen 35 und 42 °C. Ziel einer Therapie muss also sein, diese Körpertemperatur zu erzeugen.
Werden Reptilien bei artgerechten Temperaturen gehalten, genügt in der Regel eine Temperaturerhöhung von 3–5 °C am Sonnen- bzw. Aufwärmplatz, um Fieberwerte zu erreichen. Waren die bisherigen Temperaturen am Sonnen- bzw. Aufwärmplatz jedoch zu gering, reicht diese Erhöhung häufig nicht aus, um tatsächlich Fiebertemperaturen zu erreichen.
Dennoch sollte die Wärmezufuhr hier nicht übermäßig erhöht werden – das würde die Tiere überfordern. Stattdessen wird die Temperatur zunächst um 3°-5 °C angehoben und die Reaktionen des Tieres genau beobachtet. Hat man den Eindruck, es benötigt mehr Wärme, so kann die Temperatur schrittweise weiter erhöht werden. Auf diese Weise nähert man sich allmählich optimalen Temperaturen an.
Die bevorzugten Temperaturen verschiedener Reptilienarten findest Du unter: Haltungsempfehlungen.
Methode
Bereits beim Verdacht einer infektiösen Erkrankung sollte zügig mit der Fiebertherapie begonnen werden. Je früher diese erfolgt, desto günstiger ist die Prognose.
- Bei sonnenbadenden Reptilien wird die Temperatur am Sonnenplatz um 3–5 °C erhöht. Die Brenndauer der Wärmelampe sollte der Sonnenscheindauer im natürlichen Habitat entsprechen. Die nächtlichen Temperaturen werden nicht verändert.
- Bei nicht-sonnenbadenden Reptilien wird die Temperatur am Aufwärmplatz um 3–5 °C angehoben. Die Brenndauer der Wärmequelle sollte der Sonnenscheindauer im natürlichen Habitat entsprechen. Die nächtlichen Temperaturen werden nicht verändert.
- Teil-aquatile Arten: Temperaturerhöhung am Sonnen- bzw. Aufwärmplatz um 3– 5 °C Begleitend kann tagsüber die Wassertemperatur um 3 °C erhöht werden.
- Bei Wasserschildkröten hat sich bewährt, eine zusätzliche Wärmelampe über einem Flachwasserbereich zu montieren. Auch die Badebecken von Schlangen können auf diese Weise erwärmt werden. Die Lufttemperatur sollte jedoch stets über der Wassertemperatur liegen, andernfalls drohen Atemwegsinfekte. Offene Aquarien werden nachts abgedeckt.
- Aquatile Arten: Erhöhung der Wassertemperatur tagsüber um 3 °C. Eine zusätzlich über dem Wasser hängende Halogenlampe ermöglicht es den Tieren, ihre Körpertemperatur bei Bedarf noch stärker zu erhöhen.
Praxis der Wärmetherapie
- Zur Temperaturerhöhung hat sich der Einsatz zusätzlicher Wärmestrahler gut bewährt. So braucht die bestehende Wärmetechnik nicht verändert werden und man ist erheblich flexibler in der Temperaturerzeugung. Geeignet sind herkömmliche Halogen- oder Glühlampenspots, unter bestimmten Bedingungen auch Rotlichtlampen. Bei kletternden oder springenden Reptilien ist auf ein Schutzgitter zu achten, um Verbrennungen zu vermeiden.
- Man benötigt auf jeden Fall eine flexible Aufhängung, damit durch Abstandsveränderung der Lampe die geeignete Temperatur erzeugt werden kann. Der Terrarien-Fachhandel bietet zahlreiche Lösungen an, z.B. Lampenklemmen (ca. 7,50 €), einfache Keramikfassungen mit Stromkabel (9,- €), Kugelgelenke (5,50 €), bis hin zu höhenverstellbaren Lampenstativen (25,99 €).
- Die zusätzliche Lampe wird über der wärmsten Stelle des Terrariums angebracht und so ausgerichtet, dass sie in Kombination mit der bisherigen Heizquelle eine Temperatur erzeugt, die 3–5 °C über der für diese Tierart empfohlenen lokalen Höchsttemperatur liegt (siehe: Haltungs-Parameter).
- Die so geschaffene Wärmeinsel sollte, je nach Sonnenscheindauer im Habitiat, täglich zwischen 8 und 16 Stunden in Betrieb sein und nachts ausgeschaltet werden.
- Um Überhitzungen zu vermeiden, muss das Tier in kühlere Bereiche ausweichen können. Das gilt insbesondere für kleine Terrarien.
- Um ein Wärmegefälle zu schaffen, sollte die Wärmequelle deshalb seitlich im Terrarium montiert werden und – möglichst weit davon entfernt – ein schattiger Unterschlupf geschaffen werden.
- Bei verschiedenen Krankheiten muss für zusätzliche Bodenwärme gesorgt werden, z.B. bei Darmparasiten, Verstopfung, Bauchhaut- oder Bauchpanzerinfektionen. Hierzu kann man einen größeren Stein unter die Lampe legen oder Heizmatten, Heizkabel und Heizsteine verwenden.
- Damit es nicht zu Verbrennungen kommt, sollte eine Bodentemperatur von 40 °C nicht überschritten werden (hiervon ausgenommen sind bestimmte Wüstenbewohner). Um die Temperatur zu limitieren, verwendet man einen Thermostaten oder eine digitale Zeitschaltuhr, die im regelmäßigen Zyklus an- und wieder ausschaltet (z.B. 10 Minuten anschalten, 30 Minuten ausschalten). Auf keinen Fall darf der gesamte Boden erwärmt werden, sondern jeweils nur ein Teilbereich des Terrariums.
- Ein erkranktes Tier muss die Möglichkeit erhalten, den Wärmeplatz jederzeit aufsuchen zu können – wann und so lange es will. Um durch Artgenossen nicht gestört zu werden, sollte es deshalb bis zur Genesung in einem separaten Quarantänebecken untergebracht werden. Bei ansteckenden Infektionen ist dies aus Quarantänegründen ohnehin erforderlich.
- In den ersten Behandlungstagen wird das erkrankte Tier genau beobachtet. Stellt man fest, dass es sehr lange an der Wärmequelle liegt oder bei Lampen vorwiegend im Zentrum des Lichtkegels, sind vermutlich höhere Temperaturen erforderlich. Liegt es hingegen nur kurz an der Wärmequelle oder weicht es regelmäßig stark zur Peripherie aus, sind die Temperaturen möglicherweise zu hoch. Je nach Verlauf einer infektiösen Erkrankung kann das Temperaturbedürfnis stark variieren. Deshalb sollte das Tier auch in den nachfolgenden Tagen regelmäßig beobachtet werden.
Begleitende Maßnahmen
- Während einer Fiebertherapie muss die Flüssigkeitszufuhr deutlich erhöht werden. Deshalb sollte immer ein Schälchen mit Wasser bereitstehen, welches täglich gereinigt und frisch aufgefüllt wird.
- Zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit muss häufig gesprüht, ein Teil des Terrariums feucht gehalten und/oder eine Wet-Box verwendet werden. Auch UV-Vernebler haben sich bestens bewährt.
- Bei Zeichen einer Austrocknung wird Ringer-Lösung (Apotheke) per Einwegspritze (ohne Kanüle) direkt ins Maul gegeben.
- Auf Bäder durch den Halter ist während der akuten Erkrankungsphase nach Möglichkeit zu verzichten. Dies gilt insbesondere für Infektionen der Atemwege und andere erkältungsbedingte Erkrankungen.
Wärmetherapie - kompakt
- Terrestrische Arten: Temperaturerhöhung am Aufwärmplatz um 3–5 °C
- Teil-aquatile Arten: Erhöhung der Wassertemperatur um 3 °C, Temperaturerhöhung am Sonnen- bzw. Aufwärmplatz um 3 °C-5 °C.
- Aquatile Arten: Erhöhung der Wassertemperatur tagsüber um 3 °C. Zusätzlich wird eine Halogenlampe über das Wasser gehängt.
- Tagsüber für kühle Rückzugsbereiche sorgen, nachts Temperaturabsenkung auf Normalwerte.
- Zur Temperaturerhöhung wird eine zusätzliche Wärmequelle verwendet, am besten eine Wärmelampe. Die Brenndauer sollte der Sonnenscheindauer im Habitat entsprechen.
- Während der Wärmetherapie ist auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten.